Leserbrief des Bündnis ME/CFS zum Artikel „Die Jagd nach dem Rumorvirus“, FAZ vom 16.01.2011

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir, das Bündnis ME/CFS, sind ein Zusammenschluss von Vertretern verschiedener Patientenorganisationen, die sich für die Verbesserung der Situation von an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland einsetzen.

 

ME/CFS ist in Deutschland unter Medizinern und in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt oder wird oft missverstanden. Leider müssen wir immer wieder feststellen, wie unzureichend die Medien hierzulande berichten und damit zu diesem Missstand beitragen. So auch der Artikel „Die Jagd nach dem Rumorvirus“ vom 16.01.2011.

 

Bereits der Titel des Artikels gibt eine Meinung und keine Tatsache wieder. Dies ist für die Leser irreführend. Bislang ist lediglich klar - so erklären Sie dies später auch im Artikel - dass einige Teams das Virus nachweisen konnten und andere nicht. Worin die Ursachen dafür liegen, ob es sich tatsächlich um ein „Rumorvirus“ handelt oder nicht, kann leider noch niemand sicher beantworten.

 

Die Suche nach einer Behandlung gegen diese Erkrankung stellt nicht den Versuch dar, „die Psyche vom Krankheitsverdacht zu befreien“, sondern die äußerst qualvollen Symptome der Betroffenen zu lindern, die weit über „Schlafstörungen“ oder „Müdigkeit“ hinausgehen. ME/CFS ist eine potenziell schwer behindernde Krankheit, unter der manche Patienten jahrelang ans Bett gefesselt bleiben. Derart verharmlosende Bezeichnungen sind unangebracht und tragen weiter zur Unkenntnis über dieses Krankheitsbild bei.

 

Die Forschungsergebnisse um XRMV wurden einseitig und unvollständig wiedergegeben. In der Studie von Lombardi/Mikovits sowie zahlreichen andere Studien, die Silverman in seinem Artikel von 2010 aufgezählt hat, wurden mehrere andere Testverfahren, unter anderem auch Serologietests durchgeführt, mit denen das Vorhandensein XMRV/MLV-spezifischer Antikörper nachgewiesen wurde. Dies wird als starker Beleg gegen eine Kontamination gedeutet. Die im Dezember in „Retrovirology“ veröffentlichen Artikel widerlegen diese These nicht, sondern weisen lediglich auf die allgemein bekannte Kontaminationsanfälligkeit der PCR Methode hin.

Weiterhin wurde XMRV auch in Europa gefunden. Nicole Fischer vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf konnte das Virus im Respirationstrakt von immunsupprimierten Patienten sowie zu einem geringeren Prozentsatz in der gesunden Kontrollgruppe nachweisen. Was diese Ergebnisse im Hinblick auf XMRV, immunsupprimierte Menschen oder Menschen mit ME/CFS bedeuten, ist bislang nicht klar.

 

Die widersprüchlichen Ergebnisse zu XMRV sind für Menschen mit ME/CFS, die behandelnden Ärzte, aber auch für die breite Bevölkerung äußerst unbefriedigend. Umso wichtiger ist es, dass Berichterstattung und Aufklärung über diese Erkrankung und die damit verbundenen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgewogen sind und frei von Meinung oder Verharmlosung der Erkrankung bleiben.

 

Wir möchten Sie daher bitten, sich auch weiterhin des Themas ME/CFS anzunehmen und der journalistischen Sorgfaltspflicht nachzukommen, vollständig und in für diese schwere Erkrankung angemessener Weise zu berichten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Nicole Krüger

 

 

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