Lage der Patienten

 

 

Die Lage von ME/CFS-Patienten in Deutschland ist katastrophal. Im „Sozialstaat“ Deutschland gibt es etwa 250.000 Menschen mit ME/CFS, die keine angemessene medizinische Versorgung bekommen – viele von ihnen sind über Jahre hinweg ans Bett gefesselt. Die Pflege dieser Menschen wird Eltern, Verwandten, Kindern oder Freunden überlassen, die keinerlei medizinische oder pflegerische Ausbildung genossen haben und damit überfordert sind.

 

 

Forschung

Seit etlichen Jahren findet die internationale Forschung immer weitere Hinweise und Belege dafür, dass es sich bei ME/CFS um eine neuroimmunologische Erkrankung handelt, deren Schwere mit MS oder AIDS verglichen werden kann.

 

In anderen Ländern führen diese Forschungsergebnisse zu Verbesserungen in der Versorgung der Patienten. So entstand beispielsweise in Oslo im Jahre 2008 eine eigene Klinik für ME/CFS-Patienten, die auch auf die Versorgung Schwersterkrankter eingerichtet ist. In den USA existieren bereits mehrere spezialisierte Kliniken.

 

In Deutschland dagegen werden die Ergebnisse der internationalen Forschung kaum zur Kenntnis genommen und fließen nicht in die ärztlichen Fortbildungen ein. Dies führt dazu, dass in den meisten Fällen ME/CFS als eine relativ harmlose psychische Erkrankung fehlinterpretiert wird, die mit Ausdauertraining und kognitiver Verhaltenstherapie gut behandelbar sei. Tatsächlich zeigen immer mehr Studien, dass diese Maßnahmen bei ME/CFS im Gegensatz zu psychisch bedingten Erschöpfungszuständen kontraindiziert sind und den Betroffenen in hohem Maße schaden können.

 

Die WHO klassifiziert ME/CFS im ICD-10 Code unter G93.3 als neurologische Erkrankung. Länder, die ME/CFS als psychiatrische oder psychosomatische Erkrankung einordnen, verstoßen damit gegen die Klassifikation der WHO.

 

Dies passiert in Deutschland. Die Ärztekammern halten sich nicht an die Einordnung von ME/CFS als neurologische Krankheit und stellen dabei in Frage, ob ME/CFS überhaupt eine organische Krankheit ist. Die zugrunde liegenden Richtlinien und Dokumente wurden seit Jahren nicht mehr überarbeitet und entsprechen nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft.

 

 

Medizinische Betreuung

Ärzte, die sich in den Papieren der Ärztekammern über ME/CFS informieren möchten, erhalten diese Fehlinformationen – und keinerlei Hilfen für eine Behandlung ihrer Patienten. Therapeutische Möglichkeiten sind deswegen vielen Ärzten unbekannt.

 

Nur wenige Ärzte in Deutschland sind mit der Erkrankung so vertraut, dass sie ME/CFS zuverlässig diagnostizieren können. Für die Betroffenen bedeutet das häufig, dass sie eine weite Wegstrecke bewältigen müssen, um überhaupt einen Arzt zu finden, der sie behandeln kann. Für Schwerbetroffene ist dies gar nicht mehr möglich.

 

Dauerhaft bettlägerige Patienten stehen außerdem vor dem Problem, einen Allgemeinarzt zu finden, der Hausbesuche anbietet, da sie selbst nicht mehr in der Lage sind, eine Arztpraxis aufzusuchen.

 

In Deutschland gibt es kein einziges Spezialzentrum, das auf die Versorgung von ME/CFS-Patienten ausgerichtet ist. Besonders schwer Erkrankte sind zu krank, um in einem Allgemeinkrankenhaus aufgenommen zu werden, da Licht und Geräusche ihren Zustand weiter verschlechtern würden. Pflegedienste, die mit der Betreuung schwerkranker ME/CFS-Patienten vertraut sind, gibt es nicht.

 

Da sich die Krankenkassen an den Vorgaben der Ärztekammern orientieren, werden immunologische Bluttests, die Hinweise für einen möglichen therapeutischen Ansatz geben könnten, nicht bezahlt. Die Erstattung von Kosten für Medikamente, die Symptome lindern oder das Immunsystem stabilisieren können, wird häufig verweigert.

 

 

Soziale Versorgung

Gutachter von Renten- und Krankenversicherungen oder Versorgungsämtern sind oft nur unzureichend über ME/CFS aufgeklärt. Viele Patienten werden fälschlicherweise für arbeitsfähig erklärt, da man den Patienten die Schwere ihrer Erkrankung nicht ansieht. Häufig werden ihnen Sozialleistungen vorenthalten oder ihnen nur dann zuerkannt, wenn sie sich bereit erklären, sich in einer psychosomatischen Klinik behandeln zu lassen.

 

In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf „Studien“ hingewiesen, die belegen würden, dass Psychotherapie und Körperliches Training bei ME/CFS helfen würden. Die Patienten, die für solche Studien ausgewählt werden, erfüllen jedoch nicht die Diagnosekriterien für ME/CFS, sondern leiden unter einem allgemeinen Erschöpfungszustand oder einem Burn-Out-Syndrom. Patienten mit richtig diagnostiziertem ME/CFS sind aufgrund ihrer körperlichen Schwäche nicht in der Lage, an Studien, in denen Körperliches Training verlangt wird, teilzunehmen. Leider bilden aber genau diese „Studien“ mit Patienten, die nicht an ME/CFS leiden, die Grundlage für die Empfehlungen vieler Gutachter.

 

 

Menschen mit ME/CFS wird in Deutschland jede adäquate medizinische Versorgung vorenthalten. Eine Forschung zu ME/CFS findet bisher nicht statt. Für die Angehörigen gibt es keinerlei Hilfen für die Pflege. Oftmals führt die Erkrankung zu einer finanziellen Notlage, da trotz Arbeitsunfähigkeit keine Sozialleistungen gezahlt werden.

 

 

 

 

Das Bündnis ME/CFS fordert deshalb:

 

  • die WHO-konforme Einordnung von ME/CFS als neurologische Krankheit (G 93.3)
  • die Abgrenzung des ME/CFS von anderen, insbesondere psychisch bedingten Erschöpfungszuständen wie Depressionen oder Burn-Out und der „Verwässerung“ des CFS mit dem begriff „Chronische Müdigkeit“
  • die Verwendung des Kanadischen Konsensdokumentes zur Diagnosestellung
  • Schulung von Ärzten und Klinikpersonal, um ME/CFS zuverlässig diagnostizieren zu können
  • keine nachweislich schädlichen Therapien wie Aufbautraining
  • die Einrichtung von Abteilungen für besonders schwer erkrankte ME/CFS-Patienten in Kliniken mit speziell geschultem medizinischen Fachpersonal

Aktuell:

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